Illustration: Sascha Simon (alias Pale Cocoon)
Die Landtagswahl
Am 1. September 2024 wird in Thüringen der 8. Thüringer Landtag gewählt. Bei den Landtagswahlen wählen die Bürger und Bürgerinnen des Freistaates Thüringen ihre politischen Vertreter und Vertreterinnen im Landtag. Grundlage für die politische Ordnung Thüringens ist die Verfassung des Freistaats Thüringen.
Das Regelwerk wurde nach der Friedlichen Revolution formuliert und am 25. Oktober 1993 vom Thüringer Landtag verabschiedet. Die Verfassung trat endgültig in Kraft, nachdem die Bürger und Bürgerinnen am 16. Oktober 1994 in einer Volksabstimmung mit 70 Prozent für die Verfassung stimmten.
Übersicht zur Landtagswahl
Der Thüringer Landtag ist das oberste Organ der Gesetzgebung mit Sitz in Erfurt.
Dauer der Wahlperiode: 5 Jahre
Anzahl der Sitze: 88 (aktuell 90 durch Überhangsmandate)
Wahlsystem: Personalisiertes Verhältniswahl mit geschlossenen Listen
Stimmenanzahl: 2 pro Wähler und Wählerin (Erst- und Zweitstimme)
Wahlkreise: 44 (44 Direktmandate, 44 Listenmandate)
Wer darf wählen: deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen mit Wohnsitz im Freistaat Thüringen seit mindestens drei Monaten und im Alter von mindestens 18 Jahren
Wer ist wählbar: deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen mit Wohnsitz im Freistaat Thüringen seit mindestens zwölf Monaten und im Alter von mindestens 18 Jahren
Wie werden die Mitglieder
des Landtags gewählt?
Wie in allen Wahlen, die in Deutschland abgehalten werden, liegen die fünf Wahlprinzipien der allgemeinen, unmittelbaren, freien, geheimen und gleichen Wahl zugrunde.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind im Thüringer Landeswahlgesetz (ThürLWG) und die organisatorischen Regeln in der Thüringer Landeswahlordnung (ThürLWO) sowie deren Anlagen festgelegt.
Die Landtagswahl vereint zwei Modelle: Die Wahl von Politikern und Politikerinnen als Einzelpersonen und die Wahl von Parteien oder so genannten Parteilisten. Die Landtagswahlen sind damit Personen- und Parteienwahlen zugleich. Das zeigt sich darin, dass alle Wähler und Wählerinnen zwei Stimmen vergeben können. Mit der Erststimme wird eine Person gewählt, mit der Zweitstimme eine Partei. Die Hälfte der Abgeordneten im Thüringer Landtag wird über die Erststimme (44 Sitze), die andere Hälfte über die Zweitstimme (44 Sitze) gewählt.
Wer darf wählen und
wer darf gewählt werden?
Wahlberechtigt sind alle deutschen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten ihren Hauptwohnsitz oder Lebensmittelpunkt in Thüringen haben. Das Recht, bei einer Wahl wählen zu können, nennt sich aktives Wahlrecht.
Als Abgeordnete wählbar sind grundsätzlich alle Wahlberechtigten, die seit mindestens zwölf Monaten ihren Hauptwohnsitz in Thüringen haben. Wer gewählt werden will, kann sich entweder durch eine Partei aufstellen lassen oder muss mindestens 250 Unterstützungsunterschriften von wahlberechtigten Unterstützern und Unterstützerinnen nachweisen. Das Recht, bei einer Wahl wählbar zu sein, nennt sich passives Wahlrecht.
Das Wählerverzeichnis wird von der Gemeinde auf der Basis des Einwohnermelderegisters vor jeder Wahl erstellt. Einige Wochen vor dem Wahltermin werden auf Grundlage dieses Verzeichnisses die Wahlbenachrichtigungen per Post an alle Wahlberechtigten versandt.
Wer am Tag der Wahl nicht das Wahllokal aufsuchen kann oder möchte, der kann seine Stimme per Briefwahl abgeben. Über diese Möglichkeit wird ebenfalls in der Wahlbenachrichtigung informiert.
Was sind Überhang- und Ausgleichsmandate?
Für das finale Sitzverhältnis im Landtag ist die Zweitstimme entscheidend. Gleichzeitig ziehen alle Direktkandidaten und -kandidatinnen garantiert in den Landtag ein. Es kann vorkommen, dass für eine Partei mehr Kandidaten und Kandidatinnen über die Erststimme direkt in den Wahlkreis einziehen, als dieser Partei nach der Verteilung der Zweitstimme zustehen würden. In diesem Fall spricht man von Überhangmandaten. Diese entstehen, wenn die Anzahl der gewonnenen Direktmandate einer Partei die Anzahl der ihr insgesamt zustehenden Sitze nach der Auszählung der Zweitstimmen übersteigt.
Dem Thüringer Landtag gehören seit den Landtagswahlen 2019 beispielsweise insgesamt 90 Abgeordnete an. Zu der regulären Anzahl von 88 Sitzen kam ein Überhangsmandat der CDU hinzu. Nach dem Hare/Niemeyer-Verfahren – einer Methode um Wählerstimmen in Abgeordnetenmandate umzurechnen - ergab sich ein Ausgleichsmandat, das der SPD zufiel.
Ausgleichsmandate sind Zusatzmandate, die andere Parteien erhalten, wenn eine Partei ein Überhangmandat bekommen hat, damit die Zusammensetzung des Landtags dem Verhältnis der abgegebenen Stimmen entspricht.
Welche Folgen hat
das Ergebnis der Wahl?
Der Thüringer Landtag ist das höchste Organ der Gesetzgebung in Thüringen. Das Ergebnis der Wahl beeinflusst damit in erster Linie, inwieweit die in der Wahl angetretenen Parteien Einfluss auf die Gesetzgebung in Thüringen nehmen können. Darüber hinaus wird der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin von den Abgeordneten des Landtages gewählt. Daher hat das Ergebnis der Landtagswahl auch direkten Einfluss auf die Bildung der Thüringer Landesregierung.
Da für die Wahl des Ministerpräsidenten oder der Ministerpräsidentin und für das Verabschieden von Gesetzen die absolute Mehrheit der Abgeordneten nötig ist (mindestens die Hälfte aller Sitze im Landtag, bei gerader Anzahl ein Sitz zusätzlich), bildet je nach Ergebnis, entweder die stärkste Partei allein die Regierung oder es schließen sich mehrere Parteien zusammen zu einer Regierung zusammen. Dieser Zusammenschluss wird als Koalition bezeichnet.
Durch das Ergebnis der Landtagswahlen und die daraus resultierende Regierungsbildung wird auch die Zusammensetzung des Bundesrates als gemeinsames Organ der Länder auf Bundesebene beeinflusst. Der Bundesrat spielt eine wichtige Rolle beim Zustandekommen von Gesetzen auf Bundesebene, er setzt sich aus den Mitgliedern der Landesregierungen zusammen.
LZT-Projekte & Veranstaltungen
zur Landtagswahl
Filmtour mit Vorführungen und Gesprächen zum Wahljahr 2024: ARENA 196 -Zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit, 5. Februar in Gotha/ 11. März in Fambach/ 15. März in Meusebach/ 22. März in Dorndorf-Steudnitz/ 4. April in Erfurt
Vortrags- & Gesprächsreihe in Kooperation mit dem Institut für Politikwissenschaft derUniversität Jena und dem Weimarer Republik e.V.: Angegriffen und abwehrbereit?Die Demokratie im Wahljahr 2024, am 11. April/ 2. Mai/ 23. Mai/ 13. Juni/ 27. Juni, Jena.
Seminar: Philosophisches Frühstück am Abend serviert – Demokratie als Verteilungsproblem, 30. April/ 28. Mai, Rudolstadt
Lehrerfortbildung: Spielung zum Thema Games mit Potenzial für Demokratiebildung in Kooperation mit der Stiftung Digitale Spielekultur und Spawnpoint, 6. Juni, Erfurt
Workshop zum Wahl-O-Mat zur Landtagswahl, 6. bis 8. Juni, Erfurt
Game Jam zum Themen-Spezial Wahl in Kooperation mit der Bauhaus-Universitätund Spawnpoint – Institut für Spiele- und Medienkultur, 21. bis 23. Juni, Erfurt
Das Superwahljahr 2024 - Mitbestimmung oder Qual der Wahl? EinBildungsprojekt in Kooperation mit der Geschichtswerkstatt Jena e.V., März/Mai, Jena
Das Mehrheits- und
das Verhältniswahlrecht
Vertreter und Vertreterinnen des Volkes werden in repräsentativen Demokratien in Wahlen bestimmt, jedoch gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie die Bevölkerung ihre Repräsentanten und Repräsentantinnen auswählt. Es wird dabei zwischen zwei Grundtypen unterschieden:
Mehrheitswahlrecht
In Systemen mit reinem Mehrheitswahlrecht, wie beispielsweise Großbritannien, gibt es keine Wahllisten und keine Zweitstimme. Die Sitze im Parlament werden allein danach verteilt, welche Direktkandidaten und Direktkandidatinnen welche Wahlkreise gewinnen. Dabei gilt das „Winner-takes-it-all-Prinzip“, wonach der Kandidat oder die Kandidatin mit der Mehrheit der Stimmen in das Parlament einzieht und alle anderen Stimmen wegfallen. Dies kann zu starken Verzerrungen in Bezug auf die abgegebenen Stimmen und die Kräfteverhältnisse im Parlament führen, die in der Regel die größte Partei bevorteilen. Gleichzeitig gibt es in Systemen mit Mehrheitswahlrecht eine klarere Zuordnung der Abgeordneten zu ihren Wahlkreisen. Mehrheitswahlsysteme führen in der Regel zu Zwei-Parteiensystemen und stabilen Ein-Parteien-Regierungen.
Verhältniswahlrecht
Bei einer reinen Verhältniswahl existieren keine Direktkandidaten und Direktkandidatinnen, sondern allein Listen, welche vorher durch die Mitglieder oder auf Delegiertenkonferenzen der Parteien nach Prinzipien der innerparteilichen Demokratie verabschiedet wurden. Ein Beispiel für eine reine Verhältniswahl wäre die Wahl zum Europäischen Parlament. In diesem System existieren keine Wahlkreise im engeren Sinn, wenn die Parteien diese nicht informell im Nachhinein in Form von „Zuständigkeiten“ auf die Abgeordneten verteilen. Es entsteht also eine geringere Bindung zwischen Wahlkreisen und Abgeordneten, dafür gehen jedoch quasi keine Stimmen „verloren“. Jede einzelne abgegebene Stimme trägt proportional zum Kräfteverhältnis der Parteien im Parlament bei, wodurch die Fraktionsgrößen spiegelbildlich den Wünschen der Bürger und Bürgerinnen entsprechen. Verhältniswahlsysteme führen in der Regel zu Mehrparteiensystemen und Koalitionsregierungen.
Häufig werden Mischformen und Abwandlungen dieser Grundtypen genutzt. Das Wahlrecht in Thüringen ist eine Kombination aus dem Mehrheitswahlrecht und dem Verhältniswahlrecht. Hat eine Partei die Sperrklausel von fünf Prozent der Wählerstimmen erreicht, wird auf Basis der Zweitstimmen im möglichst gleichen Verhältnis berechnet, wie viele Parlamentsmandate ihr zustehen. Die Verhältniswahl wird deshalb als „personalisiert" bezeichnet, weil die Wähler und Wählerinnen mit ihrer Erststimme einen Teil der Abgeordneten direkt in den Landtag wählen.
Mehr Informationen
zur Landtagswahl
Broschüre Wahlen in leichter Sprache (noch nicht vorrätig)
LZT-Publikation „Die Verfassung des Freistaates Thüringen“
LZT-Publikation „Kleine Thüringer Landeskunde für Jugendliche“
LZT-Publikation „Die Thüringer Landesgründung. der Weg zum Freistaat über Wunsch, Programm und Reform 1989-1993 - Quellen 35“
Politik und Regieren in Thüringen. Institutionen, Strukturen, Politikfelder im 21. Jahrhundert: Torsten Oppelland (Hrsg.) 2018. Springer VS.
Demokratie unter Schock: Martin Debes
Ach, Thüringen…: Martin Debes
Die 5 Wahlgrundsätze:
Allgemein: Alle Bürger und Bürgerinnen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind zur Wahl zugelassen.
Unmittelbar: Abgeordnete werden direkt gewählt. Die abgegebenen Stimmen werden direkt in Sitze für den gewählten Kandidaten und die gewählte Kandidatin oder die gewählte Liste umgerechnet.
Frei: Bürger und Bürgerinnen dürfen in ihrer Entscheidung nicht dadurch beeinflusst werden, dass ihnen aus ihrer Wahlentscheidung Vor- oder Nachteile entstehen.
Geheim: Der Wahlakt passiert im Geheimen, gerade auch um die Freiheit der Wahl zu gewährleisten. Eine nachträgliche Zurechnung zu Personen ist nicht möglich.
Gleich: Die Stimmen aller Wähler und Wählerinnen sind gleich viel Wert. Niemandes Stimme hat mehr Gewicht. Keine demokratische Partei beziehungsweise keine Kandidatur darf durch die Wahlleitung oder das Wahlrecht benachteiligt werden.