Crash, Boom, Bäng
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben zeigt, dass zumindest einige ungeschriebene Gesetze des politischen Betriebs in Thüringen nicht zu gelten scheinen. Die vergangenen Tage allerdings haben bewiesen: Bündnisse aus Kleinstparteien zerlegen sich auch hier so schnell und gründlich wie andernorts.
Diese Veröffentlichung im Rahmen des Blogs stellt keine Meinungsäußerungen der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen dar. Für inhaltliche Aussagen trägt der Autor die Verantwortung.
von Sebastian Haak
Eigentlich sollte an dieser Stelle, dieses Mal etwa über Migration stehen. Darüber, wie dieses Thema alle Wahlkämpfe dominiert, die im laufenden Jahr im Freistaat stattfinden. Was gerade in Thüringen kurios ist, immerhin muss man in weiten Teilen dieses Landes ziemlich weit fahren, um Menschen mit Migrationshintergrund zu treffen.
Doch wie das öfter so ist im politischen Geschäft: Aktuelle Entwicklungen haben dieses Vorhaben überholt. Denn seit einigen Tagen ist nun noch deutlicher als zuletzt, welche politischen Parteien wirklich eine realistische Chance haben, in den Landtag einzuziehen, wenn am 1. September über dessen neue Zusammensetzung abgestimmt wird. Und welche nicht.
Es zeichnet sich ab, welche Parteien in den nächsten Landtag einziehen
Dass AfD, CDU, Linke und – wahrscheinlich – auch die SPD wieder im Landtag vertreten sein werden, davon darf man einigermaßen sicher ausgehen. Auch für BSW deuten die jüngsten Zahlen und die Stimmung auf der Straße daraufhin, dass diese noch im Aufbau befindliche Partei sehr wahrscheinlich demnächst Landtagsabgeordnete stellen dürfte. Dass es für Grüne und FDP ziemlich knapp werden wird mit dem Einzug in den Landtag, ist ebenso kein Geheimnis und nicht zuletzt jedem Parteimitglied bei den Liberalen und den Grünen klar.
Anders dagegen ist inzwischen die Lage bei diversen Kleinstparteien, die unter Führung der „Bürger für Thüringen“ ein „Bündnis für Thüringen“ zu schmieden versucht hatten. Dem sollten neben dieser Kleinstpartei auch die Kleinstpartei „die Basis“, ein Verein mit Namen „Freie Wähler“ – nicht identisch mit der gleichnamigen Kleinstpartei – und die inzwischen als Partei neu gegründeten Werteunion angehören. Die Idee hinter diesem Bündnis war simpel: Keine diese Gruppierungen würden wohl alleine die Fünf-Prozent-Hürde überwinden können. Treten sie – wahlrechtlich möglich gemacht über einen formalen Kniff – aber gemeinsam kann, könnte es vielleicht mit dem Einzug in den Landtag klappen.
Nun aber, ohne auf alle Details einzugehen: Diese Bündnis ist tot.
Erkennen lässt sich das schon daran, dass der Freie-Wähler-Mann, Uwe Rückert, den „Bürgern für Thüringen“ vor Kurzem öffentlich einen „Richtungsstreit“ vorwarf. Zumindest ein Teil der Führung der „Bürger für Thüringen“ wolle diese Partei in der Werteunion aufgehen lassen, wodurch das vorgesehene Bündnis „zersprengt“ werde, klagte er. Aus den Reihen der Angegriffenen wurde das umgehend als „Verleumdung“ zurückgewiesen, Rückert versuche von eigenem „Scheitern“ abzulenken.
Ungeschriebene Gesetze des Politischen gelten auch in Thüringen
Damit freilich wird sichtbar, dass selbst in Thüringen bestimmte, ungeschriebene Gesetze des politischen Betriebs noch immer gelten.
Eines dieser Gesetze lautet: Wenn sich Politiker oder politisch engagierte Menschen zusammenschließen, die zuvor schon in einer oder gar mehreren politischen Parteien waren, hält dieser Zusammenschluss in aller Regel nicht lange. Zu verschiedenen sind meist die Egos, die bei solchen Versuchen aufeinanderprallen, die politischen Zielvorstellungen, die Arbeitsweisen. Man könnte das auch das Crash-Boom-Bäng-Gesetz nennen.
Besonders anmerken muss man, dass selbst in Thüringen Politik nicht völlig anders funktioniert als andernorts, weil in den vergangenen Jahre immer wieder deutlich geworden war, dass manche klassischen politischen Regeln im Freistaat scheinbar mehr nicht gelten. Oder – nur als Beispiel – kennen Sie noch viele andere Bundesländer, in denen ein Politiker bei einer theoretischen Direktwahl zum Ministerpräsidenten seit Jahren die Umfragen dominiert, der Bürger – und damit auch seine potenzielle Wähler – regelmäßig hart angeht, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt? Eben. Und, ja, richtig, ich meine hier Bodo Ramelow.
Das alles führt zu zwei Fragen:
Erstens: Was ist mit den Chancen der Werteunion, in den nächsten Landtag einzuziehen? Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich das nur gefühlt einschätzen, weil es dazu bislang keine wirklichen Daten gibt. Mein Gefühl sagt mir aber: Die sind gering. Es gibt in Thüringen keine politische Repräsentanzlücke zwischen AfD und CDU mehr, die durch die Werteunion zu füllen wäre. Außerdem gilt das politische Crash-Boom-Bäng-Gesetz auch für die Werteunion.
Zweitens: Wann steht an dieser Stelle etwas über die Bedeutung des Themas Migration für den Landtagswahlkampf? Das nächste Mal. Vielleicht. Jedenfalls ist das der Plan.
Zum Autor
Sebastian Haak arbeitet seit etwa zwanzig Jahren als freier Journalist in Thüringen. Der promovierte Historiker berichtet insbesondere über die Thüringer Landespolitik. Er schreibt unter anderem für Freies Wort, die Thüringische Landeszeitung und die Deutsche Presse-Agentur.
Foto: ari