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#07 Project 2025: Wenn die Grenzen von Ideologie und Verfassung verschwimmen

Noch während der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten läuft, finden bereits strategische Planungen für die Zukunft der USA statt. Wie Donald Trump mit Projekt 2025 den Staat radikal umbauen will.

Foto: Tim Haas

In letzter Zeit wird Donald Trump immer wieder mit dem Project 2025 in Verbindung gebracht. Er selbst wie auch die Repräsentanten des Projekts bestreiten jedoch eine Zusammenarbeit und teilweise sogar, sich zu kennen. Diese Behauptungen sind jedoch weder zutreffend noch Grund zur Beruhigung, denn Project 2025 hat ein eindeutiges Ziel: Den radikalen Umbau des US-amerikanischen Staates und der Gesellschaft.

Die Heritage Foundation als Leitorganisation

Seit den 1980ern macht sich die Heritage Foundation, ein konservativer Thinktank in den USA mit enormem Einfluss, zu jeder Präsidentschaftswahl Gedanken, welche Maßnahmen ein zukünftiger US-Präsident umsetzen sollte, um das Land nach konservativen Vorstellungen zu regieren. Auch dieses Jahr veröffentlichte die Organisation ein circa 900 Seiten langes Dokument, das sogenannte „Playbook“ mit dem Titel „Mandate fot Leadership“, in dem in fünf Kapiteln dargelegt wird, welche Maßnahmen notwendig sein werden (The Heritage Foundation, 2023).

Als Leitmotiv gilt dabei ein christlicher Staat und die traditionelle Familie. Grundlagen sind vor allem ein Minimalstaat, die freie Marktwirtschaft, eine traditionelle Lebensweise, geringe Sozialleistungen und Deregulierung. Diese Vorschläge basieren auf einem Hauptprojekt: Schedule F – Eine Erfindung der ersten Trump Präsidentschaft, die sich nicht lange gehalten hat, weil der amtierende Präsident Joe Biden sie zu Beginn seiner Präsidentschaft wieder abgeschafft hat. (Haberman et al., 2023).

„Schedule F“ – Karriere- vs. politische Beamte

In den USA gibt es ungefähr zwei Millionen Bedienstete im öffentlichen Dienst. Diese werden aufgrund von Leistung eingestellt und arbeiten sich durch Leistung nach oben. Beispiele hierfür wären Mitarbeiter der Post, der NASA, der CIA oder der Ministerien. Sie sind also keine politischen Angestellten und können nur schwer entlassen werden, da für sie besondere Arbeitsschutzmaßnahmen gelten.

Auf der anderen Seite gibt es etwa 4.000 Politische Angestellte im öffentlichen Dienst, wie beispielsweise die die Minister*Innen des Kabinetts. Diese haben ihren Job nur solange inne, wie die Administration des Präsidenten der Ansicht ist, dass sie ihren Job gut machen. Ändert sich der Präsident/die Präsidentin, ist es relativ üblich, dass ein Großteil von diesen Mitarbeiter*innen ausgetauscht wird. Das ist ein normaler Vorgang und war schon immer gängige Praxis.

Die Heritage Fundation (und die Autoren des Project 2025) ist aber der Ansicht, dass nicht nur diese 4.000 Personen ihren Job solange behalten sollten, wie es der Präsident möchte, sondern dass dieser Pool deutlich größer sein müsste, je nach Schätzung bis zu 50.000 Personen (Swan, J., 2022). Dieser Haltung liegt die Unitary Executive Theory zugrunde, nach der der Präsident die alleinige Kontrolle über die gesamte Exekutive haben sollte. Derzeit ist dies in der Realität nicht der Fall, denn es gibt einige Organisationen, die unabhängig sind: Federal Reserve Bank, mehrere Kommissionen, Postmaster General und weitere (Haberman et al., 2024). 

Die Idee hinter der Unitary Executive Theory ist folgende: Wenn Politiken durch die Exekutive und deren Mitarbeiter nicht umgesetzt werden, da diese nicht der Regierung treu sind, sondern sie ihre eigene Karriere, die Verfassung oder andere Dinge davon abhalten, bestimmte Dinge umzusetzen, sollen sie einfach als „Schedule F“-Angestellte deklariert und damit im Grunde zu politischen Angestellten gemacht werden, für die kein nennenswerter Kündigungsschutz besteht. Ihre Stellen sollen dann mit regierungs-treuen Personen besetzt werden.

Zur Umsetzung dieses Vorhabens hat die Heritage Foundation bereits eine Art Online-Bewerbungsportal erstellt, damit zum Start der neuen Administration genügend Menschen bereitstehen, die dann sofort auf die auf diese Art und Weise frei gewordenen Stellen gesetzt werden können und die neue Regierung nicht noch Zeit mit der Rekrutierung der neuen Angestellten verliert.

Die Pläne im Detail

Wurde einmal eine Regierung und Exekutive aufgebaut, die dem nächsten Präsidenten – Trump wird in diesem Zusammenhang übrigens im Playbook nie wörtlich erwähnt – treu sind, sollen noch weitreichendere Veränderungen vorgenommen werden. Hier ein kurzer, bei Weitem nicht allumfassender, Auszug:

Das FBI soll nicht mehr unabhängig sein, Heimatschutz- und Bildungsministerium sollen aufgelöst werden, die Umweltschutzbehörde (EPA) soll verkleinert werden (und diese soll ihre Aussage, dass CO2 schädlich für das Klima ist zurücknehmen, damit die Regierung dessen Ausstoß nicht mehr regulieren kann), Pornographie wird kriminalisiert, das Diskriminierungsverbot wegen sexueller Orientierung und Gender-Identität soll aufgehoben werden und Affirmative Action- und DEI-Projekte werden gestrichen.

Außerdem soll das Militär innerhalb der USA zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden und es soll die Census Citizenship Question durchgesetzt werden, nach der nur noch Bürger*Innen der USA im Zensus gezählt werden, nicht mehr alle Personen – dies hätte dann auch Auswirkungen auf Wahlen, denn die Wahlkreise werden auf Basis des Zensus zugeschnitten.

Nachdem die Einkommenssteuer auf nur zwei Kategorien (15 und 30 Prozent) festgesetzt, die Umsatzsteuer auf 18 Prozent reduziert und die Kapitalertragssteuer auf 15 Prozent festgelegt würden, sollen Steuergesetze nur noch mit 3/5-Mehrheiten beschlossen werden können. (The Heritage Foundation, 2023)

Verfassungswidrigkeit nicht unbedingt als Problem

Einige dieser Vorschläge sind mit relativer Sicherheit verfassungswidrig. Das Problem hierbei ist jedoch, dass ein Verfassungsgericht, das dem Präsidenten zumindest in Teilen loyal ist, und eine nach „Schedule F“ ebenfalls dem Präsidenten verpflichtete Exekutive sich als demokratische Instanzen nicht gegen das Staatsoberhaupt stellen würden. Das bringt inhärente Probleme für eine Demokratie mit sich. In einem Land, in dem sich die drei Staatsgewalten nicht mehr effektiv kontrollieren und einhegen, ist es mit der liberalen Demokratie nicht mehr weit her, die sich die USA ja immer wieder auf die Fahnen schreiben. Wenn zudem durch einen Personenkult auch die Mitarbeitenden im Staatswesen an das Staatsoberhaupt gebunden sind, bewegt man sich immer weiter von der liberalen Demokratie weg.

In aller Kürze ist dies der Grund, warum Project 2025 aktuell derart Schlagzeilen macht und Trump und Vance angeblich nichts damit zu tun haben und behaupten, dass sie die Leute dahinter nicht kennen würden. Im Grunde argumentieren beide, dass das ja nur eine Idee irgendeines Thinktanks sei. Dass Vance das Vorwort für ein Buch des Vorsitzenden der Heritage Foundation, Kevin Roberts, geschrieben hat, das am 12. November 2024 erscheinen wird (Harper Collins, 2024), wird dabei allerdings nicht an die große Glocke gehangen.


Bibliographie