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#03 Die Lage vor Ort

Lässt sich die politische Zerrissenheit der USA an der Kleinstadt Mount Pleasant ablesen?

Mount Pleasant ist eine typische US-amerikanische Kleinstadt. Foto: Tim Haas

Mount Pleasant ist ein Ort von ca. 21.000 EinwohnerInnen im Herzen der südlichen Halbinsel Michigans im Norden der USA. Der Ort selbst ist relativ ländlich geprägt – eine typische Kleinstadt, wie sie oft in Filmen oder Büchern, wie beispielsweise in Stephen King’s „Under the Dome“, dargestellt wird. Es gibt ein Zentrum mit Rathaus, Schule, Bücherei, einem Park und Fluss, einigen Cafés und über allem weht die obligatorische US-Flagge. Am deutlichsten sticht jedoch der große Campus der lokalen Universität, Central Michigan University, hervor, an der über 14.000 Studierende eingeschrieben sind. Die Studierenden sind ebenso ein fester Bestandteil der beschaulichen Gemeinde wie es die Einwohnerinnen sind, die hier dauerhaft leben und arbeiten. So unterschiedlich die Menschen in Mount Pleasant auch sind, eint sie derzeit ein Thema: Die Sorge um die politische Zukunft des Landes.

Sorgen um die Demokratie

Aktuell beherrscht vor allem die Besorgnis um zunehmend undemokratische Tendenzen im politischen System der USA die Diskussion: Der Eindruck vieler Menschen in Mount Pleasant ist, dass der Kongress die Interessen der Leute nicht mehr im Blick hat, dass politisch Rückschritte stattfinden – insbesondere was Individualrechte wie etwa die Einschränkung des Abtreibungsrechts in einigen Bundesstaaten etc. angeht – und, dass diese Tendenzen womöglich noch stärker werden könnten, sollte Donald Trump im November erneut zum Präsidenten gewählt werden.

Hier spielen vor allem seine letzte Amtszeit und deren Ende (der Sturm aufs Kapitol am sechsten Januar 2021), sowie Aussagen, die Trump in den letzten Monaten traf „außer am ersten Tag“ werde er kein Diktator sein (Colvin & Barrow, 2023), oder seine „Blutbad“-Rede in Ohio vom 16. März (Huynh & Gold, 2024)) eine Rolle. Zu diesen Entwicklungen äußerte sich in der Campus-Zeitung auch ein Kollege von mir, der in der Studierendenzeitung auf die Verantwortung jeder und jedes einzelnen zum Gelingen einer Demokratie eingeht (Whitledge, 2024).

Sorgen um die Republik(aner)

Aber auch den Republikanern eher zugeneigte Studierende sehen Trumps Kandidatur kritisch. In persönlichen Gesprächen mit Studierenden sehen sie zwar einige der Auswirkungen, die eine Trump Präsidentschaft hätte, durchaus positiv, wie beispielsweise geringere oder gar keine Ausgaben für die Ukraine oder eine striktere Einwanderungspolitik. Allerdings favorisieren auch einige eine etwas gemäßigtere Haltung, die laut diesen Studierenden vor allem von Niki Haley vertreten worden wäre (Central Michigan College Republicans, 2024). Haley hat Ihre Kandidatur nach dem Super Tuesday jedoch beendet, was bedeutet, dass Trump der einzige Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei in den Vorwahlen ist.

Sorgen um das System

Dass Haley von einigen Studierenden favorisiert wurde, liegt nicht nur an den Inhalten an sich, sondern auch darin begründet, dass man sich von ihrer Kandidatur bessere Chancen bei der Wahl im November verspricht, in der es insbesondere auf die noch unentschlossenen WählerInnen ankommt, denn Michigan ist ein Swing State, der also nicht verlässlich immer demokratisch oder republikanisch wählt.

Ein weiteres großes Thema ist der Krieg zwischen Israel und Hamas, der hier insbesondere bei jüngeren WählerInnen der Demokraten aufgrund der Vorgehensweise der Israelischen Regierung und Armee sehr kritisch gesehen wird. Die Unterstützung dessen durch die Biden-Regierung ist hier sehr unbeliebt und einige meiner GesprächspartnerInnen werden deshalb – stand heute – weder demokratisch noch republikanisch wählen, sondern ihre Stimme einer der Drittparteien geben.

Sorgen um die Präsidentschaft

Diese Wahlentscheidung könnte in einem Zweiparteiensystem, das die USA effektiv sind, weitreichende Folgen mit sich bringen, die vermutlich von diesen Wählenden noch weniger gewollt wären – insbesondere in einem Swing State. Hier machen üblicherweise relativ wenige Stimmen den Unterschied zwischen Gewinn und Niederlage für die beiden großen Parteien aus. Gibt man seine Stimme einer Drittpartei (die sehr wahrscheinlich eh nicht gewinnen wird) und verweigert damit der großen Partei, der man inhaltlich nähersteht, seine Stimme, kann es passieren, dass deshalb die Partei gewinnt, die man inhaltlich noch stärker ablehnt.

Mount Pleasant ist landschaftlich eine typische US-amerikanische Kleinstadt, für die politische Landschaft der USA ist der Ort jedoch nicht ganz repräsentativ. Viele der EinwohnerInnen sind in der einen oder anderen Weise mit der Universität verbunden und die Stadt an sich ist trotz der sonst ländlichen Lage mit Blick auf die Parteienlandschaft der USA relativ demokratisch geprägt, das Umland eher republikanisch. Die Kritik am politischen System der USA generell, auf die sich sogar relativ große Teile der Bevölkerung einigen können, findet sich aber auch hier, nur sind die Lösungsansätze was die Rolle der Regierung und ihre Wirkmacht in den USA angeht, fundamental unterschiedlich. Insofern ist Mount Pleasant vielleicht doch gar nicht so ungewöhnlich.

Kommenden Monat wird hier etwas tiefer auf die Verfahren gegen Donald Trump eingegangen werden, um einen Überblick zu erhalten, wie sich diese Situation entwickelt und welchen Einfluss diese auf den Verlauf der Wahl haben könnten.


• Central Michigan College Republicans (2024, 20. Februar). GUEST COLUMN: Disappointment, disinterest and Donald. Central Michigan Life.
Central Michigan University (Januar 2024). Fall End of Semester Enrollment Statistics.
Colvin, J. & Barrow, B. (2023, 07. Dezember). Trump’s vow to only be a dictator on ‘day one’ follows growing worry over his authoritarian rhetoric. AP News.
Huynh, A. & Gold, M. (2024, 18. März). Trump Says Some Migrants Are ‘Not People’ and Predicts a ‘Blood Bath’ if He Loses. New York Times.
• Mount Pleasant (n.d.). Welcome to Mount Pleasant.
Whitledge, B. (2024, 11. Januar). GUEST COLUMN: A threat to our democracy. Central Michigan Life.