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#08 Freiheit! Aber wie?

Die Demokraten setzen im Wahlkampf auf Freiheit. Leider ist nicht klar, was das genau bedeutet – und wie diese politisch umgesetzt werden soll.

Foto: Tim Haas

Das große Thema der Demokraten im Rennen um das Amt der US-Präsidentschaft ist Freiheit. Sie machen den Begriff zur Kernbotschaft der Kampagne um Harris und Walz. Allerdings gibt es auch Punkte bei diesem Konzept, an denen sich die Geister innerhalb der Demokraten scheiden – und bei denen bisher konkretere Aussagen zur Umsetzung fehlen.

Pro Choice – Freiheit als Selbstbestimmung

Für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris ist Freiheit eng mit Selbstbestimmung verknüpft. Das wird unter anderem an ihrem Standpunkt zum Thema Abtreibung deutlich. Seit der Entscheidung des Supreme Courts aus dem Jahr 2022 mit dem Titel „Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization“, die besagt, dass die Gesetzeslage im Bereich Schwangerschaftsabbruch durch die Bundesstaaten selbst und nicht wie bis dato auf Bundesebene geregelt werden muss, ist Abtreibung auf beiden Seiten des politischen Spektrums ein wichtiges Thema.

In einigen Staaten wurde mit diesem Urteil, legale Abtreibung faktisch unmöglich. Harris hat es durch stetiges Hinweisen auf dieses Problem geschafft, das Thema für sich zu besetzen und sich als progressive Option zu präsentieren – schon während ihrer nicht immer ideal laufenden Vizepräsidentschaft.

Als „Pro Choice“-Kandidatin argumentiert sie für die Freiheit einer jeden Frau, selbst zu entscheiden, ob sie eine Abtreibung vornehmen möchte, oder nicht – bis zur 22. Schwangerschaftswoche, danach nur noch unter Auflagen. Im Endeffekt also eine Rückkehr zu „Roe v. Wade“, der Supreme Court Entscheidung aus den 1970er-Jahren, die bis 2022 die rechtliche Grundlage für Abtreibung in den USA darstellte und diese ermöglichte. (Messerly, 2024).

Tim Walz, der Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten, ist ähnlicher Ansicht, und macht sich außerdem für künstliche Befruchtung (In-Vitro-Fertilization, kurz IVF) stark. Er hat zwei Kinder, die durch diese Methode gezeugt wurden (Harty, 2024).

„It’s the economy, stupid!“ – Freiheit als finanzieller Spielraum

Wie in nahezu jedem Rennen um die Präsidentschaft geht es auch in diesem Wahlkampf zu einem Großteil um die Wirtschaftslage, Jobs und die Inflation. Besonders die Mittelschicht soll laut Harris durch Steuererleichterungen entlastet, Familien finanziell unterstützt und monetäre Hilfe für Wohneigentum geleistet werden. Außerdem argumentiert sie für Steuererleichterungen für diejenigen, die selbst bezahlbaren Wohnraum schaffen, um auf lange Sicht den Preis für Wohnraum gesamtgesellschaftlich zu senken (Durkee, 2024).

Auch hier steht ihr Tim Walz zur Seite, der sich als Gouverneur von Minnesota mehrfach für wirtschaftliche Entlastungen der Mittelschicht eingesetzt hat. Er verabschiedete 2023 ein Gesetz, das bezahlte Elternzeit (paid family leave) und bezahlten Krankenurlaub (paid medical leave) ermöglicht (Office of Governor Tim Walz & Lt. Governor Penny Flanagan, 2023). Zusätzlich unterschrieb er ein Gesetz, das es unter anderem verbot, die Kreditwürdigkeit einer Person aufgrund von Schulden, die durch medizinische Behandlungen entstanden sind, herabzustufen (Office of Governor Tim Walz & Lt. Governor Penny Flanagan, 2024). All dies Politiken zielen darauf, die finanziellen Spielräume der Menschen, insbesondere der finanziellen Unter- bis Mittelschicht, zu erhöhen.

In Bezug auf Steuern tritt Harris für eine ähnliche Politik wie Präsident Biden ein. Steuern sollen für niemanden erhöht werden, der oder die unter 400.000 US-Dollar Jahreseinkommen hat. Spekuliert wird aber, dass auch unter einer etwaigen demokratischen Präsidentschaft langfristig Steuern insbesondere für Unternehmen erhöht werden sollen, unter anderem auch, um die Ausgaben für Steuererleichterungen zu finanzieren. Im Wahlkampf wird dieses Vorhaben allerdings weder von Harris noch Walz deutlich kommuniziert, um nicht extra Angriffsfläche zu bieten (Harty, 2024). Was in der TV-Debatte jedoch sehr explizit wurde war, dass unter einer Regierung Harris auch Fracking weiterhin erlaubt sein werde. Für die USA ist es eine wichtige Energiequelle und beeinflusst die wirtschaftliche Lage durch die Einnahme von Steuern. (Rapier, 2024)

Internationale Beziehungen – Freiheit im Internationalen Kontext

Als Politikerin, der die transatlantischen Beziehungen wichtig sind, inszeniert sich Harris als Gegenpol zu Trump und den Republikanern. Sie bekennt sich deutlich zur NATO als militärischer Allianz, zuletzt in der Fernseh-Debatte zwischen Harris und Trump. Zudem befürwortet sie die Unterstützung der Ukraine mit Waffen und finanzieller Hilfe und begründet diese Position mit der Gefahr, die durch Vladimir Putin ausginge, sollte er den Krieg gewinnen (PBS, 2024).

Richtet man den Blick weiter südlich, nach Israel uns insbesondere in den Gazastreifen, ist die Haltung der demokratischen Kandidatin und ihres „running mates“ nicht mehr ganz eindeutig. Harris betont einerseits Israels Recht zur Verteidigung gegen die Hamas, weist aber andererseits auf die katastrophalen Zustände hin, denen sich die Palästinenser*innen ausgesetzt sehen und argumentiert für „Würde, Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung“ für die Palästinenser*Innen (Singh, 2024). In Ihrer Position als amtierende Vizepräsidentin unterstützt Harris offiziell die Haltung der US-Regierung und die Waffenlieferungen an Israel (Long, 2024).

Harris‘ Politik gegenüber China ist ebenfalls nicht ganz klar definiert: Sie sieht das Handelsdefizit gegenüber China als problematisch, setzt aber darauf, dass die USA das Wettrennen beispielsweise bezüglich Quantencomputern oder KI gewinnen (Butts, 2024). Wie genau das passieren soll, erklärt sie jedoch nicht explizit. Medial spekuliert wird, dass auch die Demokraten auf Zölle setzen werden, diese jedoch nicht so umfangreich ausfallen sollen, wie sie die Republikaner vorschlagen (De Guzman & Ewe, 2024).

Immigration – Die Freiheit Amerikaner*in zu werden

In Bezug auf Immigration will Harris einen ähnlichen Weg wie Präsident Biden gehen: Sie steht für einen legalen Weg, um die US-Staatsbürgerschaft zu erhalten und sieht Immigration nicht grundsätzlich als Problem. Auch hier fehlen jedoch noch Details, wie genau dieser Plan umgesetzt werden soll und wie mit den zum Teil haarsträubenden Behauptungen der Republikaner in Bezug auf dieses Thema (beispielsweise der Lüge, dass Migranten Haustiere verspeisen würden) umgegangen werden soll. Wie auch Biden hält Harris weiter an dem überparteilichen Immigrations-Konzept fest, das es aufgrund des Eingreifens Trumps dieses Jahr nicht durch den Kongress geschafft hat. Dieser Kompromiss hätte dem Präsidenten mehr Möglichkeiten gegeben, die Grenze stärker zu bewachen und weniger Menschen ins Land zu lassen (Sacchetti et al., 2024).

Auch wenn Freiheit also als Schlagwort für die Kampagne der Demokraten ein starkes Zugpferd ist, das stolz und öffentlichkeitswirksam mit dem gleichnamigen Song der Popikone Beyoncé untermalt wird, fehlt es bisher noch an manchen Stellen an inhaltlicher und umsetzungsorientierter Substanz, die spätestens bei Amtsantritt vorliegen muss, denn die Probleme des Landes bestehen (und wachsen) weiter.


Bibliographie